Naturalismus

Naturalistisch ist jede Weltanschauung, die sich zur Ermittlung der Realität der wissenschaftlichen Methode bedient. Anders ausgedrückt: Ein Weltbild ist naturalistisch, in dem alles mit rechten Dingen zugeht. 

Die Bezugnahme auf die Wissenschaft verdeutlicht die Art und Weise der Betrachtung der Welt. Das bedeutet nicht, dass die Wissenschaft selbst die Weltanschauung wäre oder dass wissenschaftliche Erkenntnis durch eine Weltanschauung dogmatisiert werden soll.

Jede naturalistische Weltsicht kann klare Aussagen darüber treffen, was wahr ist und was nicht die Realität sein kann. In vielen Bereichen ist gerade nicht bewiesen, was wahr ist - man kann dort durchaus unterschiedliche Anforderungen an die Beweislast stellen, bevor man etwas als unwahr abtut oder etwas anderes als wahr annimmt und man kann dies auch sprachlich unterschiedlich ausdrücken. Selbstverständlich gibt es zahlreiche Aspekte der Welt, die unerforscht und ungeklärt sind. Vielleicht gibt es auch Vermutungen, die sich  auch ohne Nachweis rational begründen lassen und zum Beispiel dazu führen, dass sich jemand vorsichtshalber lieber so als anders ernährt, obwohl dieser Umstand nicht auf echtem Wissen beruht. Aus naturalistischer Sicht ist hier klar zu trennen: Ein solcher Aspekt kann nicht positiver Bestandteil des Weltbildes sein, sondern ein ungeklärter Punkt ist und bleibt offen, selbst wenn man im praktischen Leben auf einen bestimmten Aspekt spekuliert. Im Bild handelt es sich bestenfalls um einen blinden Fleck.

Untrennbar verbunden mit dem Naturalismus ist das naturalistische Erkenntnisprinzip: Es wird nicht einfach irgendetwas als wahr angenommen, ohne dass es entsprechende Hinweise, plausible Gründe oder Beweise dafür gibt. Das naturalistische Erkenntnisprinzip beinhaltet auch, dass man sich stets der besten Methode zur Ermittlung der Realität bedient: Ergeben sich bessere Methoden, so werden eben diese in der Wissenschaft angewandt. Für sicher gehaltenes Wissen wird nur unter dem Vorbehalt als wahr angenommen, dass eine Korrektur im Falle der Gewinnung neuer Erkenntnisse erfolgt (Fallibilismus). Es gibt also kein dogmatisches Festhalten an Wahrheiten. Das naturalistische Erkenntnisprinzip unterzieht sich selbst ebenfalls diesen Kriterien, so dass es nicht einmal als Dogma gelten kann.  

Wenn jemand freiwillig den Anspruch aufgibt, die Realität seiner Umwelt auf diese Grundlagen zu stellen, bewegt er sich bewusst in eine Phantasiewelt. Viele Menschen sind aber auch aufgrund Suggestion und Indoktrination nicht in der Lage, die Realität zu erkennen. Die Unvereinbarkeit von Realität und Trugbild 
entdecken viele Menschen niemals, weil sie sich keine Gedanken über die Widersprüche machen.

Realität ist im Gegensatz zur Phantasie oder einem Märchen das, was tatsächlich existent ist. Naturalisten orientieren sich bei ihrer Vorstellung von der Welt am ehesten an der Realität und dem Willen, diese zu erforschen und Neues zu entdecken. Die Naturalisten wollen sich nicht mit Wunschvorstellungen trösten und nicht den Verstand mit Phantasiebildern vernebeln, auch wenn diese noch so traditionell verankert sind. Auch wenn die Welt vielleicht nicht immer lebenswert oder sogar grausam erscheint, muss sich der aufgeklärte Mensch damit abfinden oder sich damit auseinandersetzen und eventuell sein Bestreben entfalten, diesen Zustand zu verändern.

Eher Fragen der Selbsterkenntnis als der Welterkenntnis sind dagegen etwa die einzelnen Emotionen, also wen jemand liebt, welche Musik man mag, welche Kunstwerke jemand schön findet u. s. w. Diese Fragen beantworten wir emotional und intuitiv, ohne dass eine rationale Kontrolle erforderlich wäre. Natürlich bedeutet das nicht, dass diese Vorgänge keiner wissenschaftlichen Erklärung zugänglich wären. 

Auch zur Gewinnung von Normen, also Wertungen des Menschen, ist das naturalistische Erkenntnisprinzip eher ungeeignet, wenn auch die Herangehensweise in der Suche nach Begründungen Parallelen aufweist. Gewisse nicht-naturalistische (supernaturalistische, übernatürliche) Begründungen von Ethik und Moral scheiden aus, wenn diese mit dem naturalistischen Weltbild nicht in Einklang zu bringen sind. Deshalb können sich die Vorstellungen auch im Ergebnis von denen eines Supernaturalisten unterscheiden. Obwohl Naturalisten durchaus unterschiedliche ethisch-moralische Vorstellungen vertreten können, liegen aufgrund dieser Herangehensweise doch überraschend hohe Übereinstimmungen vor. 

Naturalismus ist eine grundsätzliche Methode, wie man sich der Welt nähert. Der Naturalismus selbst ist ebensowenig eine vollständige Weltanschauung, wie es der Supernaturalismus ist (Weltbild mit übernatürlichen Elementen), es gibt viele unterschiedliche naturalistische Weltanschauungen, insbesondere im Bereich menschlicher Wertung. 

Die Inhalte genau unserer Weltsicht werden auf diesen Seiten wieder gegeben.

Zur Philosophie (nicht Weltanschauung) des ontologischen/metaphysischen Naturalismus geht es
-> hier.