Der Placeboeffekt

Als Placeboffekt bezeichnet man die Beobachtung, dass man einem Patienten eine Tablette verabreichen kann, die keinerlei Wirkstoffe enthält, ihm aber vorgaukelt, dass dies der Fall sei. Allein durch den suggestiven Effekt der Einbildung tritt dann eine Wirkung ein, die ohne diese Maßnahme nicht eingetreten wäre. Derartige Effekte sind etwa im Bereich der Kopfschmerzbehandlung möglich, wohl auch im Bereich von Hautkrankheiten. 

Anders als durch Tabletten lässt sich diese Aktivierung psychischer Selbstheilungskräfte auch durch alles mögliche andere auslösen, an das der Patient glaubt, sei es Handauflegen, Edelsteinheilung oder insbesondere auch durch Hypnose. Letztere ist jedoch ethisch relativ unproblematisch, soweit Missbrauchsmöglichkeiten ausgeschlossen werden und der Patient um die Hypnose und ihre Wirkungen weiß.

Sind nun Placebos durch einen Naturalisten abzulehnen, weil damit einem Aberglauben das Wort geredet wird? Jedenfalls nicht grundsätzlich, denn es sind schließlich ganz gezielte Einsätze möglich, die etwa bei der Schmerzbehandlung keine ernsthaften Nebenwirkungen aufweisen, anders als beim Medikamentenkonsum.

Tablettenfabrik, 1904
  Tablettenfabrik, um 1904

Problematisch ist allerdings, wie ein solches Placebo überhaupt auf legitimem Wege zum Einsatz kommen kann: Der Patient muss vorher einwilligen, dass ihm auch Placebos verschrieben werden können, er muss also wissen, dass das „Medikament“ keine Wirkung hat. In Apotheken werden Placebos ausschließlich als solche verkauft, sind also stets als Placebos gekennzeichnet.


Willigt der Patient nicht ein und werden ihm Placebos dennoch als echtes Medikament verabreicht, kann hier ein Betrug vorliegen bis hin zur Körperverletzung durch Unterlassen einer Heilbehandlung. Körperverletzung kann insofern auch das Zufügen von Schmerz durch gezieltes Weglassen eines Wirkstoffes sein. Das Weglassen eines Wirkstoffes ohne Wissen des Patienten und die Täuschung des Patienten ist ohne dessen Einwilligung ein gravierender Vertrauensbruch durch den Arzt und eine massive Missachtung des Rechts auf Selbstbestimmung.

Ein denkbarer Weg ist insoweit, dass der Patient etwa bei der Einlieferung in ein Krankenhaus einwilligt, dass ihm generell auch Placebos „untergejubelt“ werden können. Die Wirksamkeit des Placeboeffekts wird durch das Wissen, dass generell auch Placebos zum Einsatz kommen können, anscheinend nicht grundsätzlich ausgehebelt.
Rechtlich fraglich ist insoweit, wie lange und wie umfangreich eine solche pauschale Einwillligung überhaupt wirksam ist. Jedenfalls müsste sie wohl häufiger wiederholt werden.

„Behandlungen“ mit Placeboeffekt werden auf dem Markt der Esotherik massenweise angeboten, von Handauflegen über Edelsteinbehandlung, Bachblütentherapie, antroprosophische „Medizin“, teilweise sogar von den Krankenkassen finanziert, so etwa bei der ansonsten vollständig wirkungslosen Homöopathie.

Kritisch ist bei all diesen teils nicht gerade billigen Methoden zu sehen, dass die Personen über die Wirkungslosigkeit der Methode über den Placeboeffekt hinaus bzw. über deren Unwissenschaftlichkeit häufig nicht aufgeklärt werden oder nur unzureichend. Werden diese Methoden nicht unter die Überschrift des Placebos oder der Unwissenschaftlichkeit gestellt, so wird damit dem Aberglauben das Wort geredet. Die Missachtung der Entscheidungsfreiheit des Patienten und dessen Täuschung lässt sich durch etwaige bessere „Wirkung“ des Placeboeffekts keinesfalls rechtfertigen.

Insbesondere soweit diese Methoden im Zusammenhang mit einer ärztlichen Praxis angeboten werden und keine klare Aufklärung und Grenze zur Medizin gezogen wird, sind diese Methoden grundsätzlich zu verurteilen.

Weiter sind derartige Anwendungen aufs Schärfste zu verurteilen, soweit dadurch Krankheiten behandelt werden, die für die Anwendung von Placebos gänzlich ungeeignet sind, was auf die meisten nicht psychischen Krankheiten zutreffen dürfte. Das gilt insbesondere auch, wenn die Anwendung derartiger Maßnahmen dazu führt, dass notwendige medizinische Heilbehandlungen unterlassen werden, weil der Patient auf die „Wirkung“ der Methode vertraut. In selbem Maße gilt das auch für Anwendungen der Religion. Überhaupt arbeitet der Placeboeffekt gerade mit dem Glauben und der Suggestion, so dass sich hier eine klare Grenze kaum ziehen lässt.

Im Extremfall wurde von Fällen berichtet, in denen Krebs ausschließlich homöopathisch „behandelt“ wurde, was im Ergebnis der Verzicht auf eine echte Behandlung ist: Selbstverständlich gibt es auch Spontanheilungen; ein Krebs ist aber nicht medizinisch sinnvoll ausschließlich auf psychologischem Wege heilbar. 

08.04.2009