Die unwirksamsten Einwände gegen das Kausalgesetz

I. Computer Zufallsgeneratoren
II. Die mechanische Lottomaschine
III. Reduzierbarkeit der Sekundärwissenschaften
IV. Emergenz
V. Fatalismus
VI. Epikurs Einwand
VII. Instabiles Gleichgewicht

I. Es gibt doch echte Computer-Zufallsgeneratoren, wie kann es dann keinen Zufall geben?


Lotto-Zufallsgenerator

Wie viele Bälle?


Aus wie vielen?


Die Zahlen



Sie werden bei diesem „Zufalls“generator keine Regelmäßigkeit feststellen können (ohne Gewähr).

Es gibt keinen Zufallsgenerator Im Sinne „echten“, akausalen Zufalls. Jeder Computer ist eine Rechenmaschine und eine Rechnung gibt immer genau das Ergebnis aus, dass nach der Berechnung richtig ist und niemals ein anderes. Lediglich die Anfangswerte, die in die Berechnung einbezogen werden, sind unterschiedlich, so dass nach Berechnung andere Ergebnisse ausgeworfen werden. Fast jedes Betriebssytem verfügt über eine solche vorgefertigte Zufallsberechnung, die hierbei einbezogenen Werte können unterschiedlich festgelegt sein. So können Werte wie Uhrzeit, Länge des Mausklicks, Größe des verwendeten Arbeitsspeichers und vieles mehr der Berechnung zugrunde gelegt werden. Bei gleichen eingelesenen Werten, ist auch das Ergebnis das selbe. 

Da mehere Werte eingelesen werden und diese kompliziert verrechnet werden, wird es Ihnen ohne Aufwand nicht einmal gelingen, überhaupt herauszufinden, um welche Werte es sich handelt…

Wir kennen die Grundwerte nicht und somit kennen wir die Ursachen nicht, die zu dem Ergebnis führen, so dass wir das Ergebnis nicht vorherberechnen können, obwohl der Computer bei den selben Ausgangswerten auch immer das selbe Ergebnis auswirft.  Das bedeutet nicht, dass es keine Ursachen gibt.


II. Die mechanische Lottomaschine
Bei der Ziehung der Lottozahlen wird jedes mal dieselbe Maschine angeworfen, dennoch ist das Ergebnis jeweils ein anderes und für uns auch auch nicht vorher berechenbar.

Bei der Lottomaschine fallen viele Kugeln aufeinander, und das auch noch in eine rundliche Form. Wie diese Kugeln aufeinander fallen, hängt z. B. von der jeweiligen Lage in den Anfangsröhrchen ab: Die Maschine ist insoweit nicht 100% genau. Fallen schon die ersten beiden Kugeln anders aufeinander, als beim vorherigen mal, so fallen auch die weiteren Kugeln entsprechend anders übereinander. Mit dem „Mischen“ geht es dann so weiter.

Was wäre aber, wenn wir zwei Kugeln auf einer geraden Platte aufeinander legen würden, und zwar deren Mittelpunkte jeweils auf einer Geraden mit dem Erdmittelpunkt liegend? Die obere würde doch stets herunterfallen und zwar stets in eine andere Richtung?

Wenn man den beschriebenen Versuchsaufbau genau herstellen könnte, dann würden die Kugeln aufeinander liegen bleiben! Ein solcher genauer Versuchsaufbau lässt sich allerdings nicht realisieren:

Selbst wenn man das Problem bewältigen würde, auch auf Molekularebene kugelförmig angeordnete Körper zu erstellen und selbst wenn es gelingen würde, diese idealen Kugeln extakt übereinander zu platzieren, so dass das oberste Molekühl der unteren genau auf das unterste Molekühl der oberen Kugel treffen würde - und selbst wenn wir diesen Versuch im Weltraum ausführen würden, wo es nicht die ununterbrochen vorhandenen Erschütterungen der Erdkruste gibt und man dies bei 0° Kelvin ausführen würde, dem absoluten Nullpunkt, bei dem es keine Wärmebewegung mehr gibt und selbst wenn wir einmal die Veränderung innerhalb eines Atoms vernachlässigen würden: Die Kugeln würden zumindest nicht lange aufeinander liegen bleiben, weil es sich um eine instabile Lage handelt: Zum „Abrutschen“ würde es genügen, dass eine Kugel sich nur den Bruchteil einer Molekühllänge bewegen würde. Die Kugeln sind jedoch den Gravitationsfeldern und elektromagnetischen Feldern ausgesetzt, die im Raum vorherrschen - und diese verändern sich ununterbrochen durch die Ständige Bewegung der Materie. Auf kurz oder lang würden sich die Kugeln daher minimal aus ihrer Lage bewegen und die obere Kugel würde fallen - wohin, das würde wieder von den einwirkenden Faktoren abhängen.

Tatsächlich spielen bei zwei aufeinanderfallenden Kugeln in einer mechanischen Lottomaschine derart viele uns im konkreten Fall im Detail unbekannte Umstände für das Abrutschen der Kugeln voneinander eine Rolle, dass wir nicht in der Lage sind, die genauen Ursachen zu benennen und den Vorgang im Vorraus zu berechnen. Der Vorgang scheint grob betrachtet zufällig, ist aber nicht ursachenlos.

III. Reduzierbarkeit der Sekundärwissenschaften
Dr. Michael Schmidt-SalomonDr. Michael Schmidt-Salomon schrieb in dem (mittlerweile nicht mehr auffindbaren) hpd-Forum am 16.01.2010: „Wenn du annimmst, dass NUR (nichts weiter als!) die vier physikalischen Grundkräfte auf biologischer oder kultureller Ebene wirken (auf physikalischer Ebene bestreite ich das nicht!), dann kannst du nicht gleichzeitig für die Wirksamkeit von Gründen, Aufklärung, Selbstreflexion etc. eintreten!

Es geht um die Frage, ob sich die nicht naturwissenschaftlichen Bereiche - zum Beispiel diejenigen der Sozialwissenschaften - komplett auf physikalische Prozesse zurückführen (reduzieren) lassen würden, wenn man diese komplett verstehen und beschreiben könnte. Schmidt-Salomon meint, dass dies nicht der Fall sei. Die Frage geht auf die Beschaffenheit des Gehirns zurück: Sind unsere Gedanken ausschließlich identisch mit den Zuständen der Phsyis, also ausschließlich Zustände von Atomen, Molekühlen, Elektromagnetischen Feldern etc., dann könnte man den Willen eines Menschen komplett auf diese rein phsyischen Ursachen zurück führen (Monismus). Weil die Sozialwissenschaften sich komplett auf das Verhalten der Menschen zurückführen lassen und nach dem Verständnis des Monismus und Physikalismus das Verhalten der Menschen komplett physikalisch beschreibbar wäre (zumindest theortisch, wenn auch nicht praktisch), wären damit auch die von den Sozialwissenschaften betrachteten Prozesse komplett auf physikalische Zustände zurückzuführen. Ebenso verhält es sich dann mit allen sonstigen Fachbereichen, etwa den Wirtschaftswissenschaften, Musikwissenschaften, Kulturwsissenschaften und vielem mehr.

Die Schlussfolgerung Schmidt-Salomons aber, jegliche Gründe und Argumente wären hinfällig, wenn diese Bereiche wie beschrieben physikalistisch reduzierbar wären, ist allerdings falsch: Mit dem Physikalismus/Monismus ist es gerade so, dass durch Argumente auf die Prozesse in den Gehirnen anderer Menschen Einfluss genommen wird: Die Argumente gelangen ausschließlich in physischer Form dort hin, durch Schallwellen oder Photonen und werden dort in weitere physikalische Prozesse übersersetzt und transportiert. Das Hirn verarbeitet diese Informationen gemäß seiner physischen Beschaffenheit und genau auf diese Art und Weise nimmt der Mensch durch das Argumentieren Einfluss auf die dann wieder physikalisch gebildeten Meinungen anderer Menschen. Die Basis der Physis kann hierbei an keinem Punkt verlassen werden. Auch die Information selbst ist niemals etwas anderes als der Zustand der Materie bzw. Physis. Wäre auch nur ein Bruchteil nicht in diese zwingende Kausalkette eingebunden, wäre das Ergebnis beliebig, also vom Ergebnis her dem Irrsin vergleichbar! Genau in dem Fall wäre jedes Argument komplett überflüssig, nicht aber nach physikalistisch/monistischer Auffassung!
(17.01.2009)

Die Widerholung der bloßen Behauptung, Argumente wären bei der Betrachtung als Prozess, der sich auf reine Physis reduzieren lässt, komplett hinfällig, entbehrt jeden inneren Arguments und wird durch die bloße Wiederholung nicht richtiger. Es wird hierbei ausgeblendet, dass bei der Reduzierung eines Prozesses  - also Zerlegung in seine Bestandteile - der Prozess und seine Ursachen betrachtet werden, dass aber die Einzelteile nur in ihrer Kombination den Prozess und damit dass auseinandergenommene Argument bilden. Wer in den Einzelbestandteilen etwa des Willensbildungsprozesses den Willen ansich zu finden sucht, wird ebenso scheitern, wie in einem einzelnen Wort den Sinn eines größeren Satzes erblicken zu wollen. 
(21.01.2009)

IV. Emergenz
Dr. Schmidt-Salomon:
„Emergente Systeme wie Organismen (oder auf noch höherer Emergenzstufe: Kulturen) haben einen selektiven Einfluss auf die Häufigkeit, in der basale physikalische und chemische Prozesse auftreten. Es gibt also neben der »aufwärtsgerichteten Verursachung« (Mikrodetermination) auch eine »abwärtsgerichtete Verursachung« (Makrodetermination), d.h. eine Rückwirkung des emergenten Ganzen auf die Teile der tieferen Integrationsebene. Diese Rückwirkung ist nicht kausal-deterministisch (im Sinne der Physik), sondern evolutionär-selektiv (im Sinne Darwins) zu interpretieren. Wenn beispielsweise Spezies A Spezies B aufgrund positiv wirkender Selektionskräfte verdrängt, so verändert dies nichts an den biochemischen Mechanismen der Vererbung, jedoch treten bestimmte Anordnungen von Biomolekülen häufiger auf als zuvor.“  (Michael Schmidt-Salomon, Wege aus dem Labyrinth (3), erschienen beim Humanistischen Pressedienst, 21.01.2010)

Mit dem Begriff der Emergenten Systeme ist nichts anderes gemeint, als die Kombination der Bestandteile zu etwas, was aus den Bestandteilen nicht auf den ersten Blick zu erkennen war.

Die Selektion innerhalb der Evolution etwa soll ein solcher Prozess sein: Der Selektionsprozess lässt sich zum Beispiel schwer nur auf atomarer Ebene beschreiben, man muss zur einfachen und für den Menschen verständlichen Darstellung auf die Prozesse zurück greifen, die sich auf der Ebene des gesamten Organismus abspielen. Wir bewegen uns hier also in einem Bereich, indem wir davon sprechen, ob ein Tier dem anderen das Futtrer wegnimmt, ohne dass wir jeweils beschreiben würden, dass hier die so und so geartete Atomare Zusammensetzung einer anderen Zusammensetzung wiederum auf besondere Weise angeordnete Atomkombinationen (Futter) streitig macht. Dass wir dies nicht beschreiben, ändert aber nichts daran, dass sich nicht jedes Lebewesen vollständig physikalistisch reduzieren lässt.

Gemeint ist hiermit nicht, dass wir dies können oder dass ein Mensch jemals hierzu in der Lage wäre - sondern es geht um die Frage, ob ein Lebewesen grundsätzlich nur so beschaffen sein kann, dass es bei vollständiger Kenntnis seiner Bestandteile und Abläufe komplett reduzierbar wäre.

Charles DarwinEs ist auch richtig, dass die Prozesse der Evolution zu Veränderungen etwa im atomaren Bereich führen. Selbstverständlich besteht das eine Tier aus anderen Atomkombinationen, als ein anderes. Und darauf wirkt die Evolution auch ein - allerdings nicht, ohne selbst vollständig aus einem Mechanismus zu bestehen, der ausschließlich physisch vorhanden ist und sich bei ausreichender Kenntnis auch grundsätzlich in seine physischen Bestandteile zerlegen lassen würde und damit vollständig richtig beschreiben lassen würde - wenn diese Art und Weise der Beschreibung für uns Menschen nicht sonderlich hilfreich wäre.

Ein gravierender Fehlschluss liegt allerdings vor, wenn man jetzt meint, die kausale Wirkung des physischen Prozesses „Evolution“ auf die Ebene der atomaren Bestandteile etwa sei keine kausal deterministische sondern sie sei evolutionär selektiv im Sinne Darwins. Es besteht nämlich keinerlei Widerspruch zwischen darwinscher Evolution und Determinismus. Bei Darwin wird von Zufälligkeit nicht im Sinne des Indeterminismus gesprochen, sondern von Zufall im trivialen Wortsinne, nämlich dass uns die genaueren Ursachen nicht bekannt sind und dass die Regelmäßigkeiten im Detail nicht erkennbar sind. Von diesen damals unbekannten Gründen sind sogar mittlerweile weitere erforscht worden, so wissen wir heute einige Ursachen zu benennen, durch die damals als vollständig zufällig angesehene Mutationen hervorgerufen werden (Radioaktivität, UV-Strahlung, Chemikalien, Inzucht), ohne dass hierdurch die Evolitionstheorie als solche überhaupt tangiert werden würde.  

Man kann auch sagen, dass „Zufall“ in der Evolutionstheorie ein Verhalten jenseits des systemischen Verhaltens ist: Das Überleben der Stärksten bzw. derjenigen, die am besten mit ihrer Umwelt zurecht kommen bewirkt einen Anpassungseffekt einer Lebensform an die Umwelt, wenn
1. ein Minimum an Lebewesen noch überleben können,
2. ein anderer Anteil aufgrund der Lebensbedingungen nicht oder nicht so gut in der Lage ist, sich fortzupflanzen bzw. zu überleben und
3. wenn ein Effekt besteht, der eine Streuung unterschiedlicher Eigenschaften auf die zur Art gehörenden Lebewesen bewirkt, d. h. es dürfen nicht von vornherein alle gleich sein, weil ansonsten ausgeschlossen wäre, dass das Überleben Einzelner auf ihren besonderen Eigenschaften beruhen würde.

Die Eigenschaftsstreuung wird durch Rekombination und Mutation bewirkt. Die Streuung folgt ihrerseits aber keiner eigenen Systemfunktion: Mutationen erfolgen nicht so, wie sie gerade gebraucht werden, sondern völlig unabhängig davon. Eine Streuung ist zwar für die Funktion erforderlich, der Evolutionseffekt wird aber nicht durch eine bestimmte Streuung gefördert. Solche „Systemunabhängigkeit“ bezeichnet man ansich bereits als „Zufall“, ohne dass damit Indeterminismus gemeint wäre.

Zudem bedeutet „Zufall“ auch hier „nicht zielgerichtet im Sinne göttlichen Handelns“.

Auch hinsichtlich der Evolution gilt im Sinne eines kausalen Determinismus, dass aus Nichts auch Nichts wird. Die blinde Behauptung, dass dort akausale indeterministische Vorgänge am Werk seien, wiederspricht der wissenschaftlichen Herangehensweise und sabotiert jede weitere Suche nach den tatsächlichen Ursachen.

V. Determinismus führt zum Fatalismus
Selbst wenn Determinismus zum Fatalismus -
also zur Schicksalsgläubigkeit - führen würden, wäre dies noch lange kein Argument für die Richtigkeit des Indeterminismus, sondern bestenfalls ein Argument gegen die Verbreitung des Determinismus.

Tatsächlich hat der zur Antriebslosigkeit führende Fatalismus ganz andere Voraussetzungen. Zum einen beinhaltet der Fatalismus nämlich die durch nichts begründete Annahme, dass die Zustände so bleiben müssten, wie man sie vorfindet: Dem Fatalismus liegt also in Wahrheit ein tiefer Pessimismus zugrunde, der auch noch beinhaltet, die Zukunft zu kennen. Dies beruht regelmäßig auch auf der Vernachlässigung des Einflusses der vorsätzlichen menschlichen Handlungen auf den Gang der Begebenheiten in der Welt (vgl. Johann August Heinrich Ulrich, Eleutheriologie oder über Freiheit und Nothwendigkeit, Jena 1788, S. 83).

Der Determinist Lenin glaubte übrigens, ebenso wie die Fatalisten, die Zukunft zu kennen, nur mit umgekehrtem Vorzeichen, nämlich mit einer Tendez zum Aktionismus: In blanker Selbstüberschätzung des Marxismus schrieb er diesem geradezu naturwissenschaftliche Vorhersagen über den Lauf der Geschichte zu. Ebenso dachte der Chef-Ideologe und Determinist Bucharin in den ersten Tagen der UdSSR: „Wenn die Marxisten die kommunistische Partei organisieren und in den Kampf führen, so ist dies ebenfalls ein Ausdruck der historischen Notwendigkeit, die sich eben durch den Willen und die Handlungen der Menschen ausdrückt.“ (Nikolai Iwanowitsch Bucharin, Theorie des historischen Materialismus, Gemeinverständliches Lehrbuch der Marxistischen Soziologie, 1922, S. 47).

Eigentlich müsste eher der Indeterminismus zur Resignation führen: Während der Determinist im Vertrauen auf die Naturgesetze und auf die Konsequenzen von Ursache und Wirkung seinen Lebensplan beginnen kann und rational die Gefahren und Chancen abwägt, spielt bei dem Indeterministen immer der Unsicherheitsfaktor der Akausalität eine Rolle. Der Indeterminist kann sich im Ergebnis auf seine Erfahrungen nicht wirklich verlassen, weil alles eben doch immer grundlos ganz anders kommen kann: Ein unkalkulierbares Risiko für jedes planende Denken. Tatsächlich dürfte wesentlicher eine Rolle spielen, ob jemand Pessimist oder Optimist ist: Und das hat mit der Frage von Determinismus und Indeterminismus eher wenig zu tun.

VI. Epikurs Einwand
Diesen „Einwand“ habe ich nicht bei Epikur gefunden, sondern bei Ted Honderich, „Wie frei sind wir?“, Reclam 1995, S. 112.
Dieser Einwand besagt, dass man keine Kritik üben könne, weil dann die Kritik selbst determiniert sei. Die Einwände eines Deterministen würden beinhalten, dass diese „nur“ nach dem Muster von Ursache und Wirkung erfolgen würden. Im Grunde handelt es sich nicht um einen Einwand, sondern um reine Propaganda gegen den Determinismus. Natürlich sind Argumente kausal, sie benötigen einen folgerichtigen Aufbau und müssen begründet werden können, sonst wären es keine Argumente (vielleicht ist deshalb der „Einwand“ hier auch kein Argument?). Würde ein Argument - oder der Wille zu einem Argument - akausal zustande kommen, wäre das Argument gerade unabhängig von einer guten Begründung. Schlimmer noch: In einer indeterministischen Welt müsste ein Mensch bei den selben vorliegenden Gründen einmal zu diesem und einmal zu einem entgegengesetzten Argument kommen müssen - der Mensch könnte ebensogut einen Würfel werfen, welche Meinung er jeweils vertreten wolle, am Montag diese Meinung mit diesem Argument und am Dienstag grundlos (!) eine völlig andere nach einem anderen Argument. Eine solches „Argument“ oder eine darauf beruhende Meinung wären beliebig und damit unerheblich. Der vermeintliche „Einwand“ Epikurs lässt sich demnach sogar umkehren.

VII. Instabiles Gleichgewicht
Das instabile Gleichgewicht wird im Grunde bei der Lottomaschine bereits vorausgesetzt.

instabiles GleichgewichtEiner der mit Abstand unwirksamsten Einwände gegen Determinismus ist die instabile Lage.
Ein Ei auf die Spitze gestellt, eine Kugel auf einer Halbkugel rollt natürlich herunter: Aber nur deshalb, weil jede noch so kleine Störung des idealen Punktes zum Herabrollen führt! Abgesehen von der praktischen Umsetzungsschwierigkeit, eine auch auf molekularer Ebene geometrische Kugel und Unterlage zu schaffen, lässt sich dies auf der Erde nicht absolut erschütterungsfrei realisieren und selbst im Weltraum würde man kein unbewegtes Gravtitationsfeld realisieren können. Im gedachten Idealfall aber bleibt eine Kugel liegen, die in ihrem Schwerpunkt einen Widerstand an der Spitze eines achssymmetrischen Körpers erfährt. Jede noch so kleine Störung des Gleichgewichts führt dazu, dass die Hangabtriebskräfte greifen und die Kugel herabrollt. Das Herunterrollen aus unserem Erfahrungsschatz ist der praktischen Umsetzbarkeit geschuldet.

Nun gibt es unter dem Begriff „Norton's Dome“ eine Berechnung auf Basis der Newtonschen Gesetze, die „Indeterminismus zum Ergebnis“ haben soll. Im Detail beinhaltet dies die Behauptung, eine Kugel, die auf der Spitze des rotationssymmetrischen Domes platziert im idealisierten absoluten Gleichgewicht wird, setze sich irgendwann von selbst in Bewegung – in irgendeine Richtung.
Norton's Dome
Nun ist aber Indeterminismus gerade die Unberechenbarkeit. Baut man einen Rechenvorgang auf, der zur Bestimmung konkreter Ergebnisse eines Zufallsgenerators bedarf, so liegt dies daran, dass man die Berechnung mit entsprechenden Voraussetzungen gefüttert hat. Man müsste also entweder unbestimmte Naturgesetze einbinden (bloße Wahrscheinlichkeitsbeschreibungen) oder unbestimmte Ausgangsparameter oder beides.

Tatsächlich beruht der Nortonsytle-Inderminismus von vornherein auf fehlerhafter Anwendung des Gedankens der Zeitumkehr aus dem Bereich der Physik. Die Schlussfolgerung aus der Berechnung beruht auf mangelhaften Physikkentnissen. Die Zeitumkehrbarkeit von Bewegungsabläufen in der Kinetik (Bewegungsphysik) bedeutet lediglich, dass man bei Anwendung einer physikalischen Formel die Zeitkomponente umkehren kann und dass dann die Formel immer noch stimmig ist.

(Bei F= Kraft, m= Masse und a= Beschleunigung gilt, v=Geschwindigkeit, s=Strecke, t=Zeit)
F= m·a=m·v/t
aus der Zeitumkehrbarkeit (Reversibilität) folgt
-F=m·(-a)=m·v/(-t)
oder
-F=m·(-a)=m·(-v)/t=m·s/(-t)/t

Die zeitlich umgekehrte Betrachtung führt zu einer umgekehrten Beschleunigung bei umgekehrter Kraft.

Kräfteparallelogramm zu Norton's Dome

Man sagt, das System sei im Gleichgewicht, wenn die auf das System wirkenden verallgemeinerten Kräfte verschwinden. [...] Wenn die Konfiguration anfangs im Gleichgewicht ist und die Anfangsgeschwindigkeiten q^._n = 0, dann wird das System dauerhaft im Gleichgewicht bleiben. Es gibt unzählige Beispiele für mechanische Systeme im Gleichgewicht — ein Pendel in der Ruhelage, ein Galvanometer in seiner Ruhelage, ein auf der Spitze stehendes Ei.
...Das Gleichgewicht ist instabil, wenn eine infinitesimale Störung eine unbeschränkte Bewegung hervorruft.“, „Klassische Mechanik“ von H. Goldstein, Abschnitt 6.1

Eine nicht vorhandene Kraft führt umgekehrt aber nicht zu irgendeiner Beschleunigung, sondern zu keiner. Ein absolut stillstehendes, kräftefreies System kommt ohne äußere Einwirkung nicht wieder in Bewegung: Das ist er erste Punkt, wo Nortonstyle-Indeterminismus die Zeitumkehrbarkeit falsch anwendet. Um zum Indeterminismus zu kommen, muss man aber noch eins draufsetzen: Man muss nicht nur das Gedankenmodell der Zeitumkehr falsch anwenden, sondern man muss auch gleich noch behaupten, dass dies auch real eintritt, was der Zeitumkehrbarkeitsgedanke wirklich nicht mehr hergibt: Auch wenn eine rollende Kugel auf einer ebenen Fläche durch die Reibung abgebremst wird und der Zeitumkehrbarkeitsgedanke ergibt, dass eine Kraft entgegen der Reibungsbremsung sie wieder in umgekehrte Richtung beschleunigt, bedeutet das noch lange nicht, dass dies irgendwann eintreteten würde, bloß weil man daran denkt. Eine physikalische Gleichung kann man mathematisch umkehren, jedoch lässt sich daraus nicht pauschal schlussfolgern, dass dies zur Abbildung der Realität in jedem Fall geeignet ist.


Nortonstyle-Indeterminismus beruht auf fehlerhaften Schlussfolgerungen und verstößt zudem offensichtlich gegen zahlreiche Naturgesetze u. a.  F=m·a, Trägheitsgrundsatz,  Impulserhaltungssatz, Energieerhaltungssatz (für den Beginn der Umwandlung von Lageenergie in Bewegungsenergie benötigt man einen initialen Energieeinsatz), Symmetriegesetze, Gaußsches Prinzip des kleinsten Zwanges. 
Nortonstyle-Indeterminismus ist nur denkbar als Folge fehlerhaften Physikverständnisses.

(21.01.2010, 20.03.2013, 13.04.2016, 18.09.2017)