Physis der Seele 

Inhalt: 
Erkennbare Zusammenhänge der Seele mit der Materie
Züchtung der Seele
Seelenzeugung
Wechselwirkung der Seel mit der Materie
Die Welträtsel nach Ernst Haeckel

Immer wieder hält der Mensch inne im Staunen über die Beweglichkeit des Geistes, der Entfaltung des freien Willens und der Möglichkeit des Geistes, eine Vielzahl an Informationen zu speichern. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass dieser Geist nur aus Molekülen, Atomen, Elektronen besteht, also letztendlich nur ein Zustand der Materie ist.

Relativ unstrittig ist, dass der Geist an die Materie gebunden ist. Besteht aber der Geist ausschließlich aus Materie oder existiert er unabhängig von ihr? Ist der Geist also mehr oder weniger zufällig an die Materie gebunden, besser gesagt: an die Physis? Tritt er möglicherweise nur in Erscheinung, wenn ihm die Bindung an Materie möglich ist?

Die Religion behauptet das, jedoch mit den bekannten unwissenschaftlichen phantastischen Gründen, die keine reale Grundlage haben und als Religion auch keine wissenschaftliche Begründung für sich in Anspruch nehmen können: Die Religion greift nicht auf die richtigen Erkenntnisquellen zu und verwendet nicht die zur Erkenntnis erforderliche wissenschaftliche Methodik.

Die Auffassung, dass Geist und Physis identisch sind, bezeichnet man als Monismus, das Gegenteil als Substanzdualismus, kurz Dualismus.

Erkennbarer Zusammenhang der Seele mit der Materie
Tatsache ist, dass der Geist durch Materie zumindest stark beeinflusst wird. Der Geist kann sich nicht trennen von den Bedürfnissen des Körpers oder besser: von seinen Trieben. Die Bindung zeigt sich auch etwa in Geisteskrankheiten, die häufig auch in physikalischen Anormalitäten des Hirns deutlich werden. Auch durch Alkohol oder andere Drogen lässt sich das Wesen ebenso beeinflussen wie durch Naherungsentzug oder Schlafentzug. Der Mensch, der hungert, „will“ essen, der Mensch der nicht schlafen darf, „will“ schlafen, auch wenn er durch physische Umstände zu diesem Willen gebracht wird. Unzweifelhaft fehlt es einem Hungernden an der sonst vorhandenen Konzentrationsfähigkeit, er muss ständig an Essen denken. (Auf die neueren Erkenntnisse der modernen Hirnforschung wird ausdrücklich kein Bezug genommen, weil die Ausführungen für jeden sofort nachvollziehbar sein sollen.) Ebenfalls dürfte unstrittig sein, dass bestimmte sexuelle Gedanken hormonell bedingt sind und genetisch verankert sind. Wenn also Geist nicht Materie ist, dann wird er doch zumindest durch die Änderung der Materie stark beeinflusst: Selbst ein religiöser Mensch kann das nicht bestreiten wollen.

Der Geist scheint auf den ersten Blick frei agieren zu können. Bei genauerer Betrachtung ist das Gegenteil der Fall: Der Geist verhält sich berechenbar, als Summe seiner physischen Zusammensetzung (Erbmasse) und seiner Erfahrungen: Aufgrund seiner Komplexität und teilweise lange in der Vergangenheit liegenden Ursachen wird eine tatsächliche Berechenbarkeit vermutlich niemals eintreten. Ein Beweis für die Identität von Geist und Materie ist die statistische Vorhersehbarkeit nicht.

Züchtung der Seele?
„Geist“ lässt sich aber sogar so stark durch Materie beeinflussen, dass man sogar seine Wesenseigenschaften züchten kann: Man betrachte nur einen Rehpinscher, einen deutschen Schäferhund und einen Pitbullterrier: Seine Gedankengänge und damit sein Wesen sind durch den Körper bestimmt, obwohl alle Hunde vom Wolf abstammen, zumindest aber aus einem Urhund hervorgegangen sind. Der Mensch hat Wesenseigenschaften, erst recht aber Intelligenz gezüchtet. In dem man das Wesen über die Materie des Hirns züchten kann, erscheint selbst das vermeintlich indeterministischste am Leben überhaupt berechenbar, geradezu künstlich produzierbar. Der Religiöse kann seinen Glauben allenfalls dahingehend modifizieren, dass auch der Geist durch Kreuzung verschiedener Geister entsteht - hier aber gleitet die Theologie ins Phantastische ab: Soll der (immaterielle) Geist der Eltern sich abspalten oder soll er sich neu bilden in der Samenzelle? Die Theologie muss sich hier schon sehr stark verbiegen, wenn sie sich nicht ganz aufgeben will …

Problem der Seelenzeugung
Auch die Zeugung neuen Lebens bereitet Schwierigkeiten, setzt geradezu einen räumlichen Sprung voraus, wenn man annimmt, dass sich die Seele nicht in den Geschlechtsorganen, sondern im Kopf befinden soll: Ist der Geist von Materie unabhängig, wie soll dann ausgerechnet ein solches Geistwesen in den Körper des Nachwuchses im Zeitpunkt der Zeugung fahren? Bei der Materiebindung ist dies kein Problem, weil die lebenden Zellen von Vater und Mutter bereits physikalisch Leben beinhaltet, also abgesehen von der Zeugungsmaterie nichts zusätzlich hinzukommen muss. Ohne diese Identität von Geist und Materie müsste irgendwoher das Geistwesen genau im Zeitpunkt der Zeugung in das neue Leben fahren. Es wäre dann aber in seinen Eigenschaften wieder vollständig durch die Materie determiniert, nämlich durch die physische Zusammensetzung des Hirns durch Ernährung und Verletzungen, durch die genetisch bedingte Zusammensetzung und darüber hinaus durch die Erfahrungen, die das Hirn im Laufe seines Lebens aufnimmt, auf die es selbst also auch nur einen untergeordneten Einfluss hat.
Es ist festzuhalten: Die Züchtungsmöglichkeit lässt den Geist so erscheinen, als sei er Materie.

Wechselwirkung der Seele mit der Materie?
Ebenso unerklärt lässt dann auch die Behauptung einer unphysischen Seele, wie diese denn mit der Physis wechselwirken können soll, weshalb sollte sich die Seele ausgerechnet dann einen Meter vorwärts bewegen, wenn der Körper dies tut? Weshalb sollte sie von der Physis überhaupt beeinflusst werden, wenn sie selbst als unphysisch behauptet wird? Angesichts der Nichtphysikalität könnte diese Seele dann auch keine räumliche Ausdehnung haben, sie wäre nulldimensional. An welchem Ort sie sich dann aber befinden soll, bleibt unklar. Schließlich müsste die Seele dennoch wechselwirken mit dem gesamten Bereich des Hirns, in dem die Hirnströme messbar sind.

Letztendlich fällt die Behauptung einer unphysischen Seele dem wissenschaftlichen Sparsamkeitsprinzip zum Opfer: Die „Theorie“ einer unphysischen Seele ist zur Erklärung nicht nur überflüssig, sondern führt vielmehr zu weiteren unerklärlichen Behauptungen und unauflöslichen Widersprüchen. Im wissenschaftlichen Sinne wurde auch die Psyche „Seele“ genannt, ohne dass damit etwas Übernatürliches gemeint wäre.

Ohne unphysische Seele erübrigt sich die Frage nach einem Leben nach dem Tode.

„… dass nun die Seele nicht abtrennbar ist vom  Körper … das ist offensichtlich“.
Aristoteles: De anima II, 413a

Die Welträtsel
Aber was schreibe ich das alles hier – Ernst Haeckels Ausführungen von 1899 in „Die Welträtsel“, sind anscheinend immer noch aktuell, weil sie noch kein Allgemeingut geworden sind:

Zehntes Kapitel, „Bewusstsein der Seele“
Die bedeutungsvolle Erkenntnis der modernen Physiologie, dass
das Großhirn beim Menschen und bei den höheren Säugetieren
das Organ des Geisteslebens und des Bewusstseins ist, wird
einleuchtend bestätigt durch die Pathologie, durch die Kenntnis
seiner Erkrankungen. Wenn die betreffenden Teile der
Großhirnrinde durch Krankheit zerstört werden, erlischt ihre
Funktion, und zwar lässt sich hier die Lokalisation der
Gehirnfunktionen sogar partiell nachweisen. Wenn einzelne
Stellen jenes Gebietes erkranken, verschwindet der Teil des
Denkens und Bewusstseins, welcher an die betreffende Stelle
gebunden ist. Das selbe Ergebnis liefert das pathologische
Experiment; Zerstörung einer solchen bekannten Stelle (z.B. im
Sprachzentrum) vernichtet deren Funktion (die Sprache).
Übrigens genügt ja der Hinweis auf die bekanntesten
alltäglichen Erscheinungen im Gebiete des Bewusstseins, um die
völlige Abhängigkeit desselben von den chemischen
Veränderungen der Gehirnsubstanz zu beweisen. Viele
Genussmittel (Kaffee, [192] Tee) regen unser Denkvermögen an;
andere (Wein, Bier) stimmen unser Gemüt heiter; Moschus und
Kampher als »Excitantia« beleben das erlöschende Bewusstsein;
Äther und Chloroform betäuben dasselbe usw. Wie wäre das
alles möglich, wenn das Bewusstsein ein immaterielles Wesen,
unabhängig von jenen anatomisch nachgewiesenen Organen
wäre? Und worin besteht das Bewusstsein der »unsterblichen
Seele«, wenn sie nicht mehr jene Organe besitzt?

Alle diese und andere bekannte Tatsachen beweisen, dass das
Bewusstsein beim Menschen – und genau ebenso bei den
nächstverwandten Säugetieren – veränderlich ist, und dass seine
Tätigkeit jederzeit abgeändert werden kann durch innere
Ursachen (Stoffwechsel, Blutkreislauf) und äußere Ursachen
(Verletzung des Gehirns, Reizung usw.).
Ernst Haeckel, Die Welträtsel., 1899, S. 191, 192

Zehntes Kapitel: „Bewusstsein der Seele“
Die Vermischung beider Zellkerne ist das eigentliche
Hauptmoment der Vererbung; durch sie werden ebenso die
individuellen Eigenschaften der Seele wie des Leibes auf das
neugebildete Individuum übertragen. Diesen ontogenetischen
Tatsachen steht die dualistische und mystische Psychologie der
noch heute herrschenden Schulen ratlos gegenüber, während sie
sich durch unsere monistische Psychogenie in einfachster Weise
vollkommen erklären lässt.
Ernst Haeckel, Die Welträtsel., 1899, S. 148

Auszüge aus „Die Welträtsel“ eingefügt am 07.03.2013